Ja, es gibt den JUBI-Zauber! Aus einer Klasse wird ein Team.
Montagmittag, der Ankunftstag – und es ist überall soo laut! In den Zimmern, auf den Fluren und beim Essen im Speisesaal. Die Lehrer müssen sich sogar anschreien, wenn sie organisatorische Aufgaben und Vereinbarungen absprechen wollen, obwohl sie sich am selben Tisch einander gegenübersitzen. Aber der JUBI-Zauber wirkt. Bereits am zweiten Morgen beim Frühstück ist bei den Klassen viel mehr Ruhe und Gelassenheit eingekehrt. Man unterhält sich ruhig und dennoch ausgiebig über die Erlebnisse in der Nacht.
Aber kehren wir zum Ankunftstag zurück. Es ist Nachmittag, die Zimmer sind erobert und die meisten Betten sind mit Betttüchern und Bezügen, zum Teil etwas individuell, bestückt. Unsere Trainerinnen und Trainer stellen sich den Schülerinnen und Schülern vor: Ina, Jonas, Markus und Julia. Jede Klasse wird von jeweils zwei bergsporterfahrenen Freizeitpädagogen gemeinsam mit ihren Lehrern betreut. Und gleich geht es los mit den ersten Gruppenspielen, wie „Allgäuer Tor“ oder „Ranger im Wald“. Immer wieder gibt es dann den Besprechungskreis, damit alle in Ruhe gehört werden können, Regeln gemeinsam abgesprochen und das einander Zuhören besser gelingt. Das ist wichtig, damit alle sich wohlfühlen können und ein „Miteinander“ entstehen kann.
Heute dauert es noch gefühlt ewig, bis alle im Kreis stehen und still sein können. Aber auch daraus wird eine Challenge gemacht. Wenn es der Klasse gelingt, nach ca. 20 sec. im Kreis still zu sein, bekommt sie einen Punkt, wenn die Teamer mehr Punkte gewinnen, putzen Sie am Abend die beiden Klassentische. Ergebnis an diesen Tag: Unentschieden. Am Abend die erste ausgiebige warme Mahlzeit mit drei verschiedenen Sorten von Tortellini und jeweils verschiedenen Soßen, zusätzlich Spinatgnocchi, ein exquisites, variationsreiches Salatbüffet, unter anderem mit bayrischem Semmelknödelsalat und als Dessert Quarkspeise mit versunkenen Kirschen und Schokoraspeln. Hat jemand nach Fleisch gefragt? Nein! Es wird Nacht, der Boulderraum und die Tischtennisplatte im Mehrzweckraum sind verwaist. Auch die Balkone sind jetzt leer und still. Alle bereiten sich auf die Bettruhe vor, mehr oder weniger intensiv. Und überraschenderweise gibt es kaum Heimwehschmerz und bis auf wenige Ausnahmen bleibt dies auch so. Heute nur ein paar gequetschte Finger und eine dicke Beule um kurz vor Mitternacht.
Der nächste Tag. Und schon scheint er zu wirken, der JUBI-Zauber. Die Besprechungskreise sind ruck-zuck fertig, alle können zuhören, haben sich einvernehmlich in Kleingruppen aufgeteilt und sind motiviert, ihre Teamaufgabe für die „Wilde Küche“ zu erfüllen. Mit beladenem Materialwagen rollen wir zur Grillstelle im Wald an die wilde Ostrach. Nach dem vielen Regen ist unsere leicht abfallende Uferseite doch ordentlich umströmt. Daher gibt es zunächst ein Absperrseil, über das niemand hinausgehen darf, zunächst! Die Packgruppe und die Wagenziehgruppe haben perfekte Arbeit geleistet, so kann die Tarp-Gruppe, die nun einen Unterstand baut, die Feueranmachgruppe und die Brotteiggruppe an den Start gehen. Heute wird einander geholfen, ruhig geplaudert und es entsteht ein richtiger „Naturflow“, alle sind entspannt und fühlen sich wohl.
Der Premiumstockbrotteig wurde so kraftvoll geknetet, geschlagen und liebevoll gewärmt, dass ein Outdoormichelinstern dafür vergeben werden kann. Vor dem Genuss dieser Delikatesse mussten jedoch im Totholz geeignete Stöcke gefunden und auch zugerichtet werden. Natürlich geht das nur mit einem scharfen Taschenmesser. Daher folgte von den Teamern nun der Schnitzeinweisungskurs mit dem wichtigsten Leitspruch: „Nur im Sitzen darf man schnitzen!“ Resultat: Der Brotteig blieb unblutig, es gab nur zwei, drei leichte “Hautritzer“, die jedoch niemandem vom Schnitzen abhalten konnten.
Unsere beiden Erlebnispädagogen waren sich jetzt einig, ein weiteres Abenteuer durfte ausprobiert werden: Zu zweit, jeweils Hand in Hand, durften Wagemutige die eiskalte Ostrach mit hochgekrempelten Hosen bis zur gegenüberliegenden flachen seichten Uferseite überqueren und zurückwaten. Und niemand fiel ins Wasser! Wer mit wem, das war keinem ein Gedanke wert.
Was für eine Veränderung: Eine selbstverständliche Kooperationsbereitschaft. Was für ein gegenseitiges Unterstützen! Sollte der JUBI-Zauber dies bewirkt haben?
Der nächste Tag sollte positive Gewissheit bringen. Zwei schwere „Prüfungen“, die ein hohes Maß an Selbstdisziplin und an Kooperationsbereitschaft von der Klasse verlangten, wurden schier mühelos bewältigt. Als Schmankerl gab es am Nachmittag eine abenteuerliche Bachbettwanderung, den Ellesbach hinauf zum Schleierfall. Dass dabei der Regen zunehmend kräftiger wurde, störte niemanden, als es den Wurzelpfad fröhlich grüppchenweise bergab ging. Was ist denn an einem Hochseilgarten noch besonders? Fast jede und jeder aus den Klassen haben bereits einen bewältigt. In der JUBI ist er aber anders aufgebaut: Nur mit gegenseitigem Helfen, Mut machen und Mitsichern geht es den Flying Fox hinunter. Zuvor wartet jedoch der Sprung im freien Fall von der kleinen Plattform hinunter, bis man spürbar an dem am Kombigurt befestigten Seil hängt und hinuntersaust. Das erfordert Überwindung und das Verlassen der individuellen Komfortzone. Durch freundliche Motivationszurufe lassen viele ihre Bedenken fallen und wagen den „Sprung ins Nichts“. Gemeinsam wird nach dem Auspendeln die Leiter angestellt und die Schüler helfen sich gegenseitig, die Sicherungsseile zu lösen und dem gerade hinuntergesausten Klassenkamerad die Leiter hinunter. Auch wenn man die ca. 6m hohe wacklige Riesenleiter des Pamper Pole hinaufklettern will, braucht es die Gruppe, die die Leiter fixiert. Es müssen alle auch gleichmäßig ziehen, um den Kletterer und die Kletterin zu nach oben zu sichern. Mutige trauen sich auf die schwankende Plattform und springen ins Kletterseil, das auch zusätzlich von einem Trainer gesichert wird. Bei manchen hilft Anfeuern, bei anderen Teilnehmern ein „beruhigendes Gemurmel“. Herausfordernd war es für alle, auch für den Lehrer, der sich seinen Schülern völlig anvertrauen musste, um wieder sicher auf dem Boden zu landen.
Und so hat der JUBI-Zauber wieder einmal alle Teilnehmer ein wenig verwandelt und aus einer Klasse ein echtes Team gezaubert. Aber wie bei solchen Zaubern üblich, braucht es auch das richtige Zauberbuch und die Zauberkünstler, den insgesamt acht Pädagogen und Pädagoginnen.
(Helena Gläser)