Unsere digitale Schule –
ein Zwischenstand
Von technischen Problemen und ihren Lösungen, dem Unterricht aus der Ferne und einem Blick in die Zukunft
Als im März dieses Jahres unsere Nachbarländer begannen, den öffentlichen Raum vor der Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 zu schützen und dabei auch Schulen zu schließen, wussten wir, dass es auch bei uns nicht mehr lange dauern könnte. Am Freitag, den 13. März, hießen wir die Schüler an, alle ihre Unterrichtsmaterialien mit nach Hause zu nehmen – für den Fall der Fälle. Noch am selben Nachmittag verkündete die Landesregierung die Schließung der Schulen bis auf Weiteres.
Am darauffolgenden Montag trafen sich die Lehrer zur Krisensitzung. Wie konnten wir als Schule – jedenfalls in den nächsten drei Wochen und vielleicht, das war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss, auch noch länger – unserem Bildungsauftrag nachkommen, wenn das Schulgebäude für Schüler geschlossen war?
Die Findungsphase: E-Mails, Moodle, Nextcloud, Jitsi Meet
Zu Beginn der Schließzeit wurden hauptsächlich zwei Wege genutzt, um mit den Schülern zu kommunizieren. Die E-Mail war eine davon. Aufgaben wurden an die Eltern geschickt, die diese ihren Kindern ausdruckten oder weiterleiteten. Was in den ersten Wochen noch Fluten an E-Mails zu Wochenbeginn bedeutete, wurde im Laufe der nächsten Wochen vereinheitlicht, sodass die Fachlehrer die Aufgaben an die Klassenlehrer schickten und diese die Aufgaben gebündelt an die Eltern weiterleiteten. Das war zumindest für das Postfach übersichtlicher; trotzdem mussten die Kinder lernen, ihre Woche zu strukturieren, um die Aufgaben sorgfältig bearbeiten und fristgerecht wieder per E-Mail zurückschicken zu können. Hier standen die Eltern ihren Kindern gut zur Seite, und auch die Klassenlehrer waren bestrebt, ihren Schülern eine Struktur für die Woche vorzugeben, die ihnen bei dieser Aufgabe helfen konnte.
Der andere Weg war Moodle. Das Schiller-Gymnasium nutzte diese Lernplattform schon seit Jahren, jedoch nicht in jeder Klasse oder Klassenstufe gleich. Dies hing ganz vom Lehrer ab, der sich im Schuljahr bereits für die Nutzung der Plattform entschieden hatte oder nicht. Diejenigen Klassen, die Moodle zur Bereitstellung von Arbeitsmaterialien in bestimmten Fächern schon nutzten, konnten auch darüber auf ihre Aufgaben zugreifen. So hatten Lehrer die Möglichkeit, Lösungen zu Aufgaben für alle in Moodle bereitzustellen. In diesem Sinne war Moodle der E-Mail ähnlich, bot aber Aufgaben und Lösungen in einem übersichtlicheren Format als die Mail an. Weiterhin konnten Schüler und Lehrer über Moodle auch durch persönliche Nachrichten kommunizieren. Der Nachteil dieser Plattform war, dass die Nachfrage nach Moodle in den ersten Wochen so groß war, dass die Belwue-Server den Bedarf nicht decken konnten und das System oft ausfiel.
Da die Schüler ja aber nicht wochenlang Aufgaben zu bekannten Themen bearbeiten konnten, stellte sich bald die Frage, wie man neuen Stoff vermitteln und erklären könnte.
Eine Lösung dafür war, auf ein Format zurückzugreifen, das Schüler ohnehin gerne zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten nutzen: das Tutorial oder Erklärvideo. Auf YouTube oder ähnlichen Plattformen stehen Videos zur Verfügung, die ein bestimmtes Thema für Lernende aufbereiten. Viele Lehrer nutzten die Gelegenheit und stellten ihren Schülern Playlists zusammen, mit denen sie sich neuen Stoff aneignen konnten, um weiterhin durch Aufgaben der Lehrkräfte diesen neuen Stoff einzuüben und so zu festigen. Manche Lehrer erstellten, wenn es kein passendes Video gab, zu ihren Themen auch eigene Videos. Dafür war aber bereits einiges an Vorerfahrung vonseiten dieser Lehrer nötig.
Es zeichnete sich schnell ab, dass eine Öffnung der Schulen für alle eine Weile nicht zur Debatte stünde. Schon am ersten Wochenende Mitte März begannen der stellvertretende Schulleiter Lars Rucktäschel und unser ehemaliger Kollege Stefan Kleyer damit, eine Kommunikationsplattform einzurichten, auf die alle Schüler zugreifen konnten, und darüber hinaus einen Weg zu finden, um Video- oder Tonkonferenzen mit den Schülern abzuhalten – denn trotz der Tauglichkeit mancher Erklärvideos blieben diese eine Form statischer Kommunikation, und mit den Schülern wieder sprechen zu können, kurz: Unterricht abzuhalten, war ein Wunsch viele Lehrer und Schüler gewesen. So arbeiteten wir eine Weile mit Nextcloud, einer Kommunikationsplattform auf unserem Schulserver, an der sich alle Schüler und Lehrer anmelden konnten, und Jitsi Meet, einem Tool für Videokonferenzen. Um allen Lehrern die Funktionen dieser Plattformen beizubringen, erstellte das Digitalisierungsteam aus Lars Rucktäschel, Stefan Kleyer, Chris Decker, Annika Breitzmann und Maximilian Weigl Anleitungen und Erklärvideos, die auf die Bedürfnisse des Kollegiums zugeschnitten waren, sodass einige Lehrer bald anfingen, ihren Unterricht über Nextcloud zu planen und über Jitsi Meet abzuhalten.
Die Probleme, die damit erwuchsen, wurden schnell ersichtlich. Zwar war es möglich, seine Klasse in Nextcloud in einen Chatraum einzuladen und so Teilnahmelinks für Videokonferenzen zu verschicken, doch für einen gleichzeitigen Zugriff aller Schüler auf die Plattform war der Server nicht ausgelegt, sodass es hierbei oft zu Wartezeiten kam. Das Konferenztool Jitsi Meet war zwar übersichtlich, ließ sich schnell erlernen und stellte wichtige Features wie eine Hand-heben-Funktion für Schüler bereit, war aufgrund seiner Programmstruktur für Videokonferenzen mit Bildübertragung aber nicht geeignet. Es bürgerte sich ein, Konferenzen ausschließlich mit Ton abzuhalten, um die Datenrate gering zu halten – eine Entscheidung, die den Datenschutz des Bildes zudem noch etwas mehr wahrte.
Nach den ersten Rückmeldungen von Eltern, Schülern und Lehrern im April bot das Schiller-Gymnasium die Möglichkeit an, sich ein Notebook von der Schule zu leihen, zum Beispiel für Familien, die nicht genügend Geräte für alle Kinder und die Eltern hatten, die ja teilweise auch im Home Office waren. Zwar besaßen die meisten Schüler ein Smartphone, das viele auch zur Teilnahme an Konferenzen nutzten, jedoch war auf Smartphones aufgrund ihrer Größe das vom Lehrer übertragene Desktop-Bild nur schwer zu erkennen. Das Problem schwacher Internetleitungen und genereller Zugänglichkeit zum Internet – in diesem Bereich ist Deutschland in Europa eines der Schlusslichter – konnte von uns natürlich nur in dieser Hinsicht gelöst werden, dass Schüler, bei denen die Internetanbindung fehleranfällig war, ihre Aufgaben nach wie vor zugeschickt bekamen.
Microsoft Teams – Eine Lösung auf Dauer?
Während der Osterferien richtete das Digitalisierungsteam Microsoft Teams für unsere Schüler und Lehrer ein, die wir auch aktuell noch nutzen. Teams ist eine Chatplattform, die hauptsächlich von Firmen zur internen Kommunikation und Strukturierung genutzt wird, jedoch auch schon zuvor von einigen Schulen eingesetzt wurde. Der Vorteil von Teams ist, dass Schüler sich mit denselben Accountdaten einloggen können wie an einem Schulrechner. Konferenzen lassen sich klassenweise planen, Schüler können einfach in Kleingruppen miteinander kommunizieren, und ebenso wie Moodle bietet Teams die Möglichkeit, ein Dateisystem zu erstellen, zum Beispiel mit Arbeitsblättern oder Links zu Videos, auf das die Schüler von ihrem Desktop-Computer, Tablet oder Smartphone aus zugreifen können. Natürlich dauerte es eine Weile, bis jeder sich in Teams zurechtfand. Hier arbeitete das Digitalisierungsteam wochenlang an geeigneten Erklärvideos für Lehrer, damit diese sich in Teams zurechtzufinden und ihre Konferenzen vorausplanen konnten.
Parallel dazu begann für die Jahrgangsstufen wieder der normale Unterricht, zuerst für die J12, die kurz vor ihrem Abitur stand, und etwas später für die J11; die anderen Klassen blieben noch bis zu den Pfingstferien zu Hause. Aufgrund der weiterhin instabilen Lage erschien es manchen Schülern zurecht zu risikoreich, die Schule persönlich zu besuchen. So hatte das Schiller-Gymnasium die Oberstufenräume mit einem zweiten Monitor ausgestattet und die nötige Software auf die Computer gespielt, damit es möglich wäre, zusätzlich zu den anwesenden Schülern die abwesenden in einer Konferenz dazuzuschalten und die Konferenz übersichtlich zu organisieren. Dazu wurden auch dutzende neue Mikrofone angeschafft. Obwohl dieser Präsenz-Absenz-Unterricht zuerst wie ein Experiment anmutete, dessen Ausgang nicht klar war, stellte sich schnell heraus, dass er nicht nur funktionierte, sondern teilweise sogar so gut lief, dass Schüler mit einem weiten Anfahrtsweg lieber aus der Ferne heraus teilnahmen, um mehr Zeit für die Abiturvorbereitung zu haben. Teams bot weiterhin – trotz gelegentlicher Macken und Unwägbarkeiten – auch den anderen Klassen- und Fachlehrern die Möglichkeit, Online-Unterricht abzuhalten.
In Kontakt bleiben zu können in einer Zeit, in der Kontakt schwierig, wenn nicht sogar verboten ist, war einer der Vorteile sozialer Medien in diesem Jahr. Und auch Teams bot Schülern die Möglichkeit, als Chatplattform genutzt zu werden. Auch wir Lehrer nutzten das Angebot, tauschten uns im Videochat über den Fortschritt des Systems aus, halfen einander oder trafen uns zum abendlichen Plausch. Auch Elternabende oder Informationsrunden wurden über Teams abgehalten.
Hybrider Unterricht – Eine Zukunft?
Was hat sich seit den Sommerferien getan? Der uneinheitlichen digitalen Versorgung von Lehrkräften wurde aktuell so begegnet, dass für alle Lehrer des Schiller-Gymnasiums ein Tablet angeschafft wurde, damit jeder auf demselben Stand sein und das Erlernen solcher Geräte vereinheitlicht werden kann. Diese Tablets sind von manchen Lehrern aktuell schon in Benutzung, sodass bald alle Lehrer, so sie wollen, von den Möglichkeiten dieser Geräte profitieren können, digitale Office-Lizenzen inklusive.
Während der Sommerferien wurden alle Räume mit Smartboards sowie mit W-LAN-Empfängern ausgestattet, sodass Lehrer oder bei Bedarf auch Schüler mit den Tablets oder ihren eigenen Geräten arbeiten können. Viele der Kollegen wechselten von Moodle auf Teams, damit die Schüler ihre Unterlagen an einem einheitlichen Ort finden können. Im Rahmen der Medientage für die fünften Klassen (wir berichteten) wurden auch unsere Neuen schon an die Plattform herangeführt. In höheren Klassen arbeiten bereits manche Schüler mit der Erlaubnis ihrer Lehrer mit ihren Tablets oder Notebooks; welche Vorteile dies mit sich bringt, wo Hindernisse liegen, was noch fehlt, werden sie uns berichten, sodass wir weiter am Ausbau dieses sogenannten hybriden Unterrichts arbeiten können, eines Unterrichts mit analogen und digitalen, mit Online- und Offline-Elementen.
Familiär, verlässlich, innovativ. Soweit es in diesem Jahr möglich war, haben wir versucht, einen engen Kontakt zu den Schülern und Eltern zu halten und verlässlichen Unterricht zu bieten. Wir haben Wochen an Arbeit investiert, um das System zum Laufen zu bringen. Wie viele Eltern uns zurückmeldeten, bot das Schiller-Gymnasium ein im Vergleich sauberes System, das versuchte, alle Schüler zu erreichen, nicht zuletzt dank des unermüdlichen Engagements unserer Lehrkräfte. Doch das kann, wie wir gesehen haben, erst der Anfang der Innovation sein.
Also arbeiten wir daran, die Möglichkeiten des hybriden Unterrichts auszuloten. Manche Schulen in Deutschland machen es schon vor; dort arbeiten bereits alle Schüler mit Tablets. Auch von den Möglichkeiten und Problemen dieser Schulen wollen wir lernen, eigene Ideen entwickeln, experimentieren, scheitern und mit dem ein oder anderen Konzept dann doch Erfolg haben, damit das Schiller-Gymnasium die Marke „innovativ“ auch zurecht tragen kann. Unsere bisherige digitale Organisation ist hierbei ein Schritt in die richtige Richtung.
(Maximilian Weigl)