Harry Haller, genannt Der Steppenwolf, ist ein Mann von knapp fünfzig Jahren, dessen Identitätskrise ihn an den Rand des Selbstmords treibt, bis er Hermine kennenlernt. Hermine versucht, Harry Haller durch Musik, die Erforschung der Sexualität und nicht zuletzt den Humor die Möglichkeit zu geben, sich aus seiner Krise zu befreien. Im Magischen Theater begegnet Harry durch die Erweiterung seines Bewusstseins verschiedenen Facetten seiner selbst. Die Auflösung seines Konflikts gelingt ihm, wie seinem literarischen Partner Faust in Faust I, vorerst nicht.

Die Frage nach Realität und Fiktion, nach Wahn und Wirklichkeit macht die Lektüre des Steppenwolfes von Hermann Hesse, dessen Roman autobiographische Züge hat, nicht gerade zu einem einfachen Unterfangen. Viele Fragen müssen gestellt werden, viele lassen sich aber auch nicht beantworten – eine besondere Herausforderung für jeden Leser und natürlich im Besonderen für uns im Deutschunterricht, die wir es ja gewohnt sind, einen Text durch Analyse von Sprache, Inhalt und Form schlüssig zu deuten. Neben Goethes Faust I und E. T. A. Hoffmanns Der goldne Topf ist der Steppenwolf die dritte Lektüre, die im Abitur bearbeitet wird.

 

 

Um uns diesem Werk anzunähern und durch eine weitere Deutung zu einem tieferen Verständnis dessen zu gelangen, sahen sich die Schüler der J12 eine Aufführung des Werkes als Bühnenstück an. Wie jedes Jahr war dafür das THEATERmobileSPIELE in einer geschlossenen Veranstaltung zu Gast. Unter der Regie von Thorsten Kreilos war Schauspieler Julian W. Koenig alle Figuren in einem. In einem reinlich weißen Bühnenbild entwickelte er das Stück anhand wichtiger Momente des Romans. Die Aspekte der Virtualität fanden durch Traumsequenzen, Videomontagen oder Stimmen aus dem Off Einzug und aktualisierten damit auch die gesellschaftlichen Aspekte des über neunzig Jahre alten Werkes.

In einem anschließenden Gespräch stellten die Schüler Fragen und vertieften ihr Verständnis der Aufführung. Dabei interessierte sie vor allem das Verhältnis zwischen Wahn und Wirklichkeit: Ist Hermine eine real existierende Figur oder ist sie nur ein weiterer Teil von Hallers zersplitterter Psyche? Was genau ist der Tractat, der Haller zugesteckt wird und der detaillierte Ausführungen zu dessen Seelenleben enthält?

Das facettenreiche Spiel des Schauspielers Julian W. Koenig begeisterte die Schüler besonders. Er füllte die Figur, die jeder Schüler in seinem Kopf von Harry Haller entwickelt hatte, mit Leben. Auch das wandelbare Bühnenbild mit seinen Bedeutungsebenen fand Anklang.

Wir sind überzeugt, dass das Stück allen Zuschauern einen tieferen Einblick in Hesses komplexes Werk geben konnte und damit eine gute Vorbereitung für das Deutsch-Abitur Ende April war.

(Maximilian Weigl)