„Amüsieren wir uns zu Tode?“ – Fragen zu einem kritischen
Umgang mit neuen Medien

Der Auftrag der Schulen zur Medienbildung wird durch den neuen Bildungsplan gestärkt. Darauf wies Schulleiter Joachim Zuber in seiner Begrüßung zum 10. Schiller-Forum hin, das einen Beitrag zur Erfüllung eben dieser Aufgabe leistete.

Mehr als 70 Eltern, Lehrer und Schüler hatten das Angebot wahrgenommen, sich über dieses Thema zu informieren und eigene Fragen und Gedanken in das anschließende Gespräch einzubringen. Boris Rothmann, Diplom-Psychologe und Leiter der psychotherapeutischen Beratungsstelle der Hochschule Pforzheim, präsentierte zunächst einige Daten, bevor er dann in einem lebendigen und anschaulichen Vortrag auf Vor- und Nachteile vor allem der Internetnutzung einging, digitale Trends in den Blick nahm und einige Schlussfolgerungen zog.

Der Konsum analoger und digitaler Medien sei in den letzten 15 Jahren markant gestiegen. Jugendliche verbringen heute durchschnittlich 208 Minuten täglich im Internet – mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Zählt man die Nutzungszeit aller audio-visuellen Medien zusammen, kommen sogar 400 Minuten am Tag zusammen. Dabei spielt die Nutzung zur Informationssuche mit 14 % eine eher geringe Rolle, während Kommunikation mit 40 % und Spielen mit 20 % die Hauptnutzung darstellen. Allein diese zeitliche Intensität macht deutlich, wie sehr das Kommunikationsverhalten außerhalb der Medien von dieser Entwicklung beeinträchtigt wird. Boris Rothmann brachte es auf den Punkt: „Wer seinen Kindern Fernseher, Computer und Spielkonsole ins Kinderzimmer stellt, darf sich nicht wundern, wenn die Kommunikation in der Familie darunter leidet.“

Ausführlich beleuchtete Boris Rothmann Chancen und Probleme der Internetnutzung. So sei der Wissenszugang deutlich leichter und schneller möglich als in früheren Zeiten. Es sei leichter, sich zu vernetzen und Kontakte zu pflegen. Gleichzeitig bestehe aber auch die Gefahr der mangelnden Auseinandersetzung mit den Inhalten und der geringeren Verarbeitungstiefe. Daraus resultiere auch die Gefahr, sich einseitigen Darstellungen kritiklos anzuschließen, was sich beispielsweise darin zeige, wie sich populistische Parolen verbreiteten, selbst wenn diese weit von den Fakten entfernt seien. Auch bestehe eine durchaus ernstzunehmende Suchtgefahr für Jugendliche. Ein Medienkonsum von mehr als sechs Stunden täglich gilt als krank, wobei hier auch der Einzelfall zu betrachten sei und nicht generalisiert werden dürfe. Nicht zuletzt sprach Boris Rothmann den möglichen Verlust kommunikativer Kompetenzen in der Realität sowie den unkritischen Umgang mit persönlichen Daten als Risiken an.

Im Folgenden nahm der Referent Bezug auf die Thesen des amerikanischen Medienwissenschaftlers Neil Postman aus den Achtzigerjahren, die er in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ dargestellt hatte. Zwar hatte er diese Thesen damals auf den Fernsehkonsum bezogen; sie ließen sich aber auch auf die Nutzung heutiger Medienangebote übertragen. Mit dem Zurückweichen der Schriftkultur, so Postman, sei ein Verlust der Fähigkeit zur rationalen Urteilskraft verbunden. Das Streben nach Erkenntnis sei durch das Verlangen nach Zerstreuung ersetzt worden. Die Schnelligkeit und Kurzlebigkeit der oft visuellen Informationen verhindere zudem eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten.

Zusammenfassend stellte Boris Rothmann fest, dass eine Welt ohne digitale Medien nicht mehr vorstellbar sei und man sich mit dieser Realität auseinandersetzen müsse. Ob die neuen Medien Fluch oder Segen seien, hänge in besonderer Weise von den Entscheidungen, dem erzieherischen Verhalten und dem Vorbild der Eltern ab. Einem unkritischen Umgang mit den digitalen Medien erteilte er daher eine klare Absage. Besonders die Familie als primäres Umfeld der Kinder und Jugendlichen sei bei der Medienerziehung in der Pflicht. Die Schule könne den Eltern diese Aufgabe nicht abnehmen, sondern nur ergänzend wirken. Vor allem sei es wichtig, dass Eltern die Mediennutzung ihrer Kinder begleiten und bis zu einem gewissen Grad auch kontrollieren. Das sei oft unangenehm, aber notwendig.

In der anschließenden Gesprächsrunde nutzten einige Eltern die Möglichkeit, ergänzende Informationen und Erklärungen für das Medienverhalten Jugendlicher zu erhalten. Auch die Mediennutzung in der Schule wurde angesprochen sowie der Zusammenhang zwischen Mediennutzung und Lernerfolg. Durch das Modul „Lernen lernen und Computer“ in der fünften Klasse setzt das Schiller-Gymnasium bereits seit vielen Jahren einen besonderen Akzent in diesem Bereich.

Schulleiter Joachim Zuber bedankte sich beim Referenten für seinen anregenden Vortrag mit vielen Beispielen aus seiner Praxis und versprach, dass die Medienbildung auch weiterhin eine Aufgabe ist, der sich das Schiller-Gymnasium gerne stellt: „Wir bleiben am Ball.“

Volker Geisel